Prof. Dr. Josef Rauscher
HS: Jacques Rancière: Geschichtsphilosophie und Ästhetik
Do 8-10
BKM 025 (exterritorial, gegenüber dem Philosophicum auf der
anderen Seite der Schnellstraße (quel partage!))
Beginn: Do, den 21.4.2011
- Kommentar:
Finden sich häufiger die Felder der Geschichte und Historiographie
in der einen oder anderen Weise mit Fragen der Kunst und Ästhetik
mehr oder weniger eng verknüpft (Hegel, Croce, White), so bietet
Rancière gleichwohl eine verblüffende und originelle Volte einer
grundlegenden Koppelung. Diese geht weit über eine Konstruktion
von Geschichte über und mittels der Fähigkeit zu narrativen Entwürfen
hinaus. Nicht Hayden Whites sinnfällige Kennzeichnung, daß die
Muse der Geschichte, Klio, dichtet, auch wenn Rancière sie unterschreiben
würde, bestimmt den Rahmen von Rancières Überlegungen. Eher leiten
sich für ihn aus einer grundlegenden ‚ersten‘ Ästhetik, die als
„Aufteilung des Sinnlichen“ den Möglichkeitsraum der Politik und
der Kunst vorzeichnet, die Aufgaben einer Bestimmung des Kunst-
wie des Gesellschaftsraums ab. Ästhetik als ‚Allianz zwischen künstlerischer
und politischer Radikalität‘ macht Rancière zwar beispielhaft an
Schiller fest, doch er sucht allgemein zu bestimmen, wie und warum
„auf dem Feld des Ästhetischen heute ein Kampf ausgetragen wird,
der gestern noch den Versprechungen der Emanzipation und den Illusionen
und Enttäuschungen der Geschichte galt“. Rancières Untersuchung
wird zu einem äußerst komplizierten Plädoyer für eine Kultur des
Dissens, das Adornos allzu einfache Dialektik der Antinomien der
modernen Kunst dialektisch zu überbieten sucht. Vielleicht deshalb
wird der von Adorno verachtete Film denn auch zur paradigmatischen
Kunst. Keine einfache Lektüre.
Das Seminar stützt sich hauptsächlich auf folgende Werke Rancières: Das
Unbehagen in der Ästhetik. Wien: Passagen, 2007 (org. Malaise
dans l’esthétique, 2004); Film Fables. Oxford/ N.Y.: Berg, 2006 (org.
La Fable cinématographique, 2001); Die Namen der Geschichte. Frankft.a.M.:
Fischer, 1994 (org. Les noms de l’histoire, 1992);
- Ergänzt um Blicknahmen von: Rancière,J. Die Aufteilung des Sinnlichen.
Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien. Berlin: b_books, 2. Aufl.2008
(org. Le partage du sensible. Esthétique et politique, 2000 – der
wahrscheinlich beste, weil einfachste (?) Einstieg!) und Politik
der Bilder. Berlin: diaphanes, 2005 (org. Le destin des images, 2003),
sowie Ist Kunst widerständig? Berlin: Merve, 2008 (org. Si
l’art résiste à quelque chose, 2004).
- Man kann natürlich zur Vorbereitung auch Rancières eigentliches Hauptwerk: Das
Unvernehmen. Frankft.: Suhrkamp, 2002 (org. La mésentente, 1995)
lesen.